OIB Academy, Steffen Sutter et al.
Letzte Aktualisierung: 29. Dezember 2021
Wettbewerbsvorteil Unternehmensorganisation? – In vielen Unternehmen ist die Unternehmensorganisation eher eine Art notwendiges Übel. Man kümmert sich um die Unternehmensorganisation so weit, als es eben gerade nötig erscheint.
Im knapp gehaltenen, aber beachtenswerten Buch „Die optimale Organisationsform“ von Wenger und Thom wird de facto ein strategischer Game-Changer Ansatz erläutert: Wenn alle Unternehmen einer Branche die Unternehmensorganisation prinzipiell stiefmütterlich behandeln, was wäre dann, wenn eines dieser Unternehmen mehr oder minder unbemerkt die eigene Unternehmensorganisation zum Wettbewerbsvorteil entwickeln würde?
Es wäre schlichtweg eine Erweiterung des Wettbewerbsarsenals. Etwa so, als ob ein/e Spieler*in in einem Schachturnier legitim plötzlich in jeder Runde eine neue, weitere Figur auf dem Spielbrett zur Verfügung hätte. Mit andersartigen Zugmöglichkeiten als alle anderen Figuren bisher.
Die Überrumplung der Mitbewerber um den Turniersieg wäre komplett. Das Spiel hätte sich vollständig gewandelt. Wettbewerbsvorteil Unternehmensorganisation – die neue Figur auf dem Brett – als Game-Changer des Branchen-Wettbewerbs.
In ihrem Buch „Die optimale Organisationsform“ beschreiben Wenger/Thom in Kapitel 4.1 den Zusammenhang zwischen Unternehmensorganisation (Struktur, sowohl Prozesse als auch die Aufbauorganisation umfassend) und Strategy leicht gekürzt wie folgt:
Structure follows strategy
In der traditionellen Sichtweise der Beziehung von Struktur und Strategie unterstellte CHANDLER eine Mittel-Zweck-Relation im Sinne von „Structure Follows Strategy“. Dies impliziert, dass die Strukturgestaltung zur organisatorischen Absicherung der Unternehmungsziele erst nach erfolgter Konzipierung der Unternehmungsstrategie durchgeführt wird.
Strategy follows structure
Diese Auffassung, in der die Strategie in einem hierarchischen Verhältnis als Vorgabegrösse für die Struktur auftritt, wird längst von anderen Interpretationen des Verhältnisses zwischen Strategie und Struktur konkurrenziert. Diese reichen von der Vermutung einer weitgehenden Unabhängigkeit […] bis hin zur Behauptung einer Festlegung der Strategie durch die Struktur (im Sinne von „Strategy follows Structure“).
Anders formuliert: Nach Chandlers Postulat sollte die Unternehmensorganisation immer der Strategie folgen. In der Realität findet sich aber oft auch eine umgekehrte Situation: Die Weiterentwicklung der Strategie hat Rücksicht zu nehmen auf die Gegebenheiten der vorhandenen Unternehmensorganisation. Die Wahrung der bislang aufgebauten Unternehmensorganisation wird damit zu einer Rahmenbedingung für die weitere Strategieentwicklung. Warum ist das so?
Nun, Chandlers Postulat entspricht einem sogenannten „Grüne Matte“-Ansatz: WENN man nicht schon jahrelang in die Unternehmensorganisation investiert hätte, DANN könnte man die Unternehmensorganisation bei der Strategieentwicklung ausblenden.
Beispiel: Über Jahre hat man IT-seitig zum Beispiel in eine SAP-Umgebung investiert zur Unterstützung der Unternehmensorganisation. Dabei ist nicht nur viel zeitlicher Aufwand und sonstiger Aufwand erbracht worden, sondern auch einiges an Kapital. Welches üblicher Weise die Fachseite der Unternehmensorganisation als Auftraggeberin der IT oder die Unternehmensorganisation insgesamt gestellt hat.
Diese Aufwände und Investitionen müssen erst mal abgeschrieben bzw. amortisiert werden, bevor markante Wechsel der IT-Strategie wirtschaftlich sinnvoll ins Auge gefasst werden können. Mit anderen Worten: Die früheren Entscheide zur Unternehmensorganisation bedingen zu einem guten Teil auch die zukünftigen Entscheide zur Unternehmensorganisation.
Wenger/Thom beschreiben diese wechselseitige Abhängigkeit von Strategie und Unternehmensorganisation leicht modifiziert wie folgt:
Vielschichtige Wechselwirkungen zwischen Strategie und Unternehmensorganisation
[…] Von der Unterstellung einfacher deterministischer Zusammenhänge ist abzusehen. Es ist mindestens von einer wechselseitigen Beeinflussung zwischen Strategie und Unternehmensorganisation auszugehen […].
Weder strategische noch strukturelle Aspekte sind aufgrund dieser interaktiven Verkoppelung unabhängig voneinander optimierbar. Die vielschichtigen Wechselwirkungen zwingen vielmehr zu einem umfassenden Ansatz.
[…] gehen wir davon aus, dass die Unternehmensorganisation aufgrund ihrer Wirkungen, im Sinne einer verschärften inside-out- (oder ressourcenorientierten) Sichtweise, Beachtung als strategisch relevante Variable verlangt.
Aha, hier kommt jetzt eine weitere Perspektive zur Begründung hinzu: Der inside-out bzw. ressourcenorientiert Ansatz.
Zur Erläuterung dieser Begrifflichkeit liefern Wenger/Thom mit Referenz auf Kühn/Grünig und weiteren folgende, geringfügig angepasste Beschreibung:
Marktorientierter vs. ressourcenorientierter Ansatz
Zur Erklärung des strategischen Erfolges von Unternehmungen sind unterschiedliche Argumentationsweisen denkbar.
Im marktorientierten Ansatz (market-based view) werden in einer outside-in-Perspektive als dominante Bestimmungsfaktoren einerseits die Strukturmerkmale der Branche, andererseits das tatsächliche Wettbewerbsverhalten der Unternehmungen hinzugezogen.
Demgegenüber argumentiert der ressourcenorientierte Ansatz (resourcebased view) in einer inside-out-Perspektive mit spezifischen Ressourcenausstattungen der Unternehmungen, die Wettbewerbsvorteile begründen und den strategischen Erfolg erklären. […]
Es ist nach diesem Verständnis die Einzigartigkeit des Ressourcenpools einer Unternehmung […], welche die Grundlage von Wettbewerbsvorteilen bildet.
Weiter bemerken Wenger/Thom:
Der marktorientierten Sichtweise sprechen wir damit keineswegs die Berechtigung ab. Es geht uns vielmehr um die notwendige Ergänzung der outside-in- durch die inside-out-Perspektive im Sinne ihrer Kombination.
Wir sind der festen Überzeugung, dass diese veränderte Wahrnehmung insbesondere auch einen veränderten Kontext für die Bewertung und Auswahl effektiver und effizienter Organisationsformen ergibt. Daher stellen wir die Hintergründe und die dabei herangezogenen theoretischen Konzepte sowie deren Bedeutung in den folgenden Abschnitten weiter vor. Wir beginnen mit einer Analyse der Veränderungen in der Unternehmungsumwelt.
Bevor wir mit Wenger/Thom fortfahren, folgen ein paar Erörterungen zur marktorientierten Sicht. Denn schlussendlich geht es ja wie auch Wenger/Thom erwähnen um eine Kombination der outside-in und der inside-out Perspektive.
Vom Harvard-Professor Michael E. Porter stammt die sogenannte „Branchenstruktur-Analyse“, die auf den 5 wesentlichen Wettbewerbskräfte einer Branche basiert:
Quelle: Wikipedia, Hans-Jürgen Geiß, Kaiserslautern Juni 2005
Bei der Entwicklung der Unternehmensorganisation zum strategischen Wettbewerbs-Vorteil als Komponente eines ressourcenorientierten Ansatzes sollte man nie das eigentliche Spielfeld aus den Augen lassen: Den Wettbewerb in der Branche, in der sich das eigene Unternehmen befindet.
Hier ist das Porter’sche 5-Kräfte Modell des Branchenwettbewerbs mit zum Beispiel folgender Leitfrage hilfreich orientierend: Welche der 5 Wettbewerbskräfte meiner Branche kann mein Unternehmen mit einer exzellenten Unternehmensorganisation als Wettbewerbsvorteil und Game-Changer beeinflussen? Das heisst:
Alternativ oder flankierend, auch Kombinationen davon sind zu prüfen für einen synergetischen und durchschlagskräftigen Marketing-Mix:
Bei der Auswahl der organisatorischen Methoden in markt- und wettbewerbs-orientierter Hinsicht hilft eine Adaption des Dominanz-Standard-Modells von Kühn weiter, um einen Wettbewerbsvorteil Unternehmensorganisation zu realisieren.
Zur Einordnung der in einer konkreten Marketingsituation zu wählenden Marketing-Instrumente kann das Dominanz-Standard-Modell von Richard Kühn verwendet werden. Hier ein gelungenes Anschauungsbeispiel von marketingenieur.ch:
Wie ersichtlich, unterscheidet Kühn in seinem Modell 4 Kategorien von Marketing-Instrumenten:
Dieses Modell von Kühn kann nun in einer spezifischen Marktsituation relativ einfach adaptiert werden für die konkrete Auswahl und Positionierung von Methoden und Techniken der Unternehmensorganisation in markt- und wettbewerbsorientierter Hinsicht.
Nehmen wir als Beispiel eine Gross-Schreinerei, deren Kernkompetenz im Bau flexibler, aber dennoch belastbarer Inneneinrichtungen besteht. Damit ist sie gut im Geschäft bei verschiedenen industriellen Werken, die ihre Gebäudekapazitäten immer wieder mal anders unterteilen müssen, um neue Technologien und Produktionsabläufe einzuführen.
Aufgrund dieser ihrer Kernkompetenz erwägt die Gross-Schreinerei, neu in das Lagerhaus-Geschäft zu investieren. Lagerhäuser sind eine eigene Branche. Sie bieten die Vermietung von Lagerplätzen und -räumen an, ggf. ergänzt mit weiteren Services.
Für die Gross-Schreinerei wäre das ein komplett neues Geschäftsfeld. Die Grund-Überlegung der Gross-Schreinerei dazu: Ein Lagerhaus ist im Prinzip ein unterteiltes Gebäude. Mit ihrer Kernkompetenz sollte es ihr möglich sein, dauerhaft einfacher – und damit günstiger – als die Lagerhaus-Konkurrenz bedarfsgerechte, wechselnde Unterteilungen des Gesamtvolumens vorzunehmen.
Also egal, ob gerade mehrheitlich kleine Speicherboxen gefragt sind, oder der Markt auf die Anmietung mittlerer oder auch grösserer Lagerkapazitäten umschwenkt: Mit der Kernkompetenz des Baus flexibler, aber dennoch belastbarer Inneneinrichtungen sollte man gegenüber der Konkurrenz die Nase eigentlich immer ein Stück weit voraushaben.
Nun stellt jemand in der Geschäftsleitung die Grundsatzfrage bezüglich einer geeigneten, markt- und wettbewerbsorientierten Unternehmensorganisation: „Wie müssen wir uns aufstellen, um mit unserer neuen Geschäftsidee am Markt Erfolg zu haben?“
Diese Frage ist in ihrer Einfachheit bemerkenswert und unmittelbar einleuchtend. Sie koppelt ohne Wenn und Aber die Unternehmensorganisation mit dem Geschäftserfolg. Wie also die Unternehmensorganisation in diesem Fallbeispiel ausgestalten, damit sie zum Plus im harten Wettbewerb wird?
Die weiteren, strategischen Überlegungen in der Geschäftsleitung führten dann zu folgenden Aussagen:
Wie die Geschäftsleitung zu diesen Überlegungen kam, braucht uns für die weiteren Darlegungen nicht zu interessieren. Für uns wichtig ist an dieser Stelle lediglich, dass die Geschäftsleitung der Gross-Schreinerei diese Überlegungen angestellt hat und in der vorstehenden, stichwortartigen Aufzählung dokumentieren konnte.
Speziell die für das neue Business erwähnten Faktoren sind im Weiteren von Interesse. Denn diese sind zwar schon zum Teil zweckdienlich kategorisiert in kritische, unterstützende und sonstige Faktoren. Aber diese Unterteilung beruht noch auf keiner Systematik.
Hier hilft uns nun eine Adaption des Kühn’schen Dominanz-Standard-Modells weiter. Denn ordnet man die erwähnten Faktoren in dieses Modell ein, dann erhalten wir so eine Kategorisierung aller erwähnten, relevanten Geschäftsfaktoren basierend auf einer marketingorientierten, erprobten Systematik.
Daraus resultierte dann fallbezogen die folgende Adaption des Kühn’schen Dominanz-Standard-Modells (vereinfachte Darstellung):
Hinweis: Es ist auffällig, dass ausser der „Modul-Bauweise“ vor allem Mitarbeiter-zentrierte Faktoren, also sogenannte „weiche“ Faktoren der Unternehmensorganisation (Kultur, Mitarbeiter- & Team-Verhalten, Wissen etc.), als dominant eingestuft wurden. Hintergrund könnte sein, dass solche weichen Faktoren sehr nachhaltige Wettbewerbs-Vorteile sein können.
Dies weil es viel Zeit braucht, sie aufzubauen. Sie sind weder käuflich noch leicht zu imitieren noch substituierbar. Womit sie sichtlich einige typische Eigenschaften einer Kernkompetenz erfüllen.
Nach diesen beiden Erörterungen zur marktorientieren Sicht – Porter und Kühn – fahren wir nun mit Wenger/Thom fort.
Im Kapitel 4.2 gehen Wenger/Thom auf den Wandel der Markt- und Wettbewerbs-Bedingungen ein, der von ihnen als fundamental und für Unternehmen sehr herausfordernd beschrieben wird im Sinne einer VUCA-Welt: Volatil, unsicher bzw. unberechenbar, komplex und ambivalent.
Hintergrund der VUCA-Welt ist die Zunahme der Veränderungsdynamik bei politischen, ökonomischen, sozialen, technologischen, ökologischen und rechtlichen Themen. Die zudem im Rahmen der Globalisierung miteinander vernetzt sind und deshalb nicht isoliert betrachtet werden können. D.h. diese Themen sind komplex miteinander verschränkt und bedingen sich zum Teil gegenseitig.
Aus Sicht von Wenger/Thon ergeben sich daraus folgende Konsequenzen, gekürzt und punktuell angepasst:
[…] Unter den geschilderten Umständen wird es immer schwieriger, Potenziale für langfristig wirkende Wettbewerbsvorteile mit einer rein umweltorientierten Perspektive (outside-in) zu erkennen, aufzubauen und zu erhalten. […]
In dieser Situation sind es die eigenen Ressourcen und Fähigkeiten einer Unternehmung sowie deren spezifische Konfiguration in der Unternehmensorganisation, die verstärkt und ergänzend in den Fokus der Betrachtungen gelangen (inside-out): Sie ermöglichen eine starke Verbreiterung der Basis für die Definition einer nachhaltigen Strategie. […]
Um die Rolle der Unternehmensorganisation im Kontext der beschriebenen Veränderungen und Herausforderungen zu klären, gehen wir […] nun vertieft auf ihre Bedeutung als Erfolgspotenzial und Kernkompetenz für Unternehmungen ein.
Im Kapitel 4.3 behandeln Wenger/Thom die Unternehmensorganisation als Erfolgspotenzial. Einleitend vermerken sie dazu (wie immer ggf. auf die Kernaussagen gekürzt und ev. vereinzelt leicht modifiziert):
Basis strategischer Erfolgsfaktoren bilden sogenannte Erfolgspotenziale. Darunter werden generell Grundlagen für zukünftige, dauerhafte und überdurchschnittliche Gewinne verstanden.
Aus einer ressourcenorientierten Sichtweise sind Erfolgspotenziale spezifische Ressourcen und Fähigkeiten einer Unternehmung, [bzw. einzigartige Konfigurationen derselben z.B. im Rahmen der Unternehmensorganisation], durch die sich ihr Erfolg dauerhaft beeinflussen lässt. Erfolgspotenziale müssen knapp und wertvoll sein, damit aus ihnen überhaupt Wettbewerbsvorteile entstehen können.
Diesen letzten Satz präzisieren Wenger/Thom dann noch relevant später im Text:
Sie müssen dauerhaft, schlecht transferierbar, begrenzt imitierbar und beschränkt substituierbar sein.
Nun kommt die Quintessenz im Zusammenhang mit der Idee eines Wettbewerbsvorteils Unternehmensorganisation, punktuell angepasst / ergänzt:
Die Bedeutung der Unternehmensorganisation in einem strategischen Kontext wird dadurch klarer: Als entsprechend entwickelter […] Pool unternehmungsspezifischer Ressourcen (Unternehmensorganisation als geschaffenes System von Verhaltens- und Leistungsregeln) und unternehmungsspezifischer Fähigkeiten und Aktivitäten (Unternehmensorganisation als Managementfunktion bzw. -tätigkeit) ist eine Unternehmensorganisation nicht mehr nur ein Instrument der Unternehmungsführung, sondern zugleich zentrales Erfolgspotenzial einer Unternehmung.
Daraufhin folgt die Begründung der Unternehmensorganisation als Basis nachhaltiger Wettbewerbsvorteile (wie immer ggf. gekürzt oder geringfügig angepasst):
Die organisatorischen Ressourcen und Fähigkeiten weisen besonders in Unternehmungen ab einer bestimmten Grösse grundsätzlich alle Eigenschaften auf, um als Basis nachhaltiger Wettbewerbsvorteile zu dienen:
- Sie sind insofern knapp, als zu ihrem Aufbau in der Entwicklung einer Unternehmung umfassende, interne Vorleistungen und Investitionen in einem sozial komplexen Rahmen notwendig sind.
- Sie sind wertvoll, weil die Leistungserstellung und damit Wertschöpfung erst mit der zielgerichteten Arbeitsteilung und Koordination der Unternehmungs-Aktivitäten durch die Organisation ermöglicht wird.
- Organisatorische Ressourcen und Fähigkeiten sind dauerhaft, weil sie sich durch Gebrauch nicht abnutzen [im Gegenteil:]. Die organisatorischen Routinen werden erst durch die ständigen Verfeinerungen im komplexen Zusammenspiel der einzelnen Teile des Gesamtsystems wirklich effizient […].
- Organisatorische Ressourcen und Fähigkeiten sind durch ihre ausgesprochene Unternehmensspezifität schwer auf Konkurrenten transferierbar. […]
- Organisatorische Ressourcen und Fähigkeiten sind beschränkt imitierbar, da es sich um eine sehr spezifische, heterogene und komplexe Kombination einer Vielzahl von unterschiedlichen Elementen handelt. […]
- Die Unternehmensorganisation an sich ist durch andere Ressourcen nicht substituierbar, weil sie sich zur Realisierung der Unternehmungsziele als unabdingbar erweist. […] Aufgrund der weiter oben beschriebenen Eigenschaften organisatorischer Ressourcen und Fähigkeiten ist eine auch nur annähernd Unternehmensorganisation […] kaum wahrscheinlich.
Soweit die gegliederte Begründung der Unternehmensorganisation als strategisches Erfolgspotenzial. Aber woher kommen diese Begründungs-Argumente „knapp, wertvoll, dauerhaft, schwer transferierbar / imitierbar / substituierbar“? Warum sind es gerade diese Argumente und nicht andere?
Dazu sollten wir uns in einem kleinen Exkurs kurz der sogenannten Kernkompetenz-Analyse zuwenden, um mehr Klarheit zu erlangen. Für diese gibt es mehrere Ansätze: VRIN, VRIO und VRINO. Die letztere verbindet die ersten beiden und wird deshalb im Folgenden kurz veranschaulicht.
VRINO ist ein Akronym und steht für folgende Begriffe (Abb. Wikipedia, Author BuRnZ):
Value (wertvoll)
Rarity (selten, knapp)
Imitability (Imitierbarkeit, gemeint ist: Schwer imitierbar)
Non-Substitutability (schwer substituierbar)
Organization (Unternehmensorganisation als Basis, um die Kernkompetenzen überhaupt einsetzen zu können)
Durch die sequenzielle Beantwortung von Fragen zu den einzelnen Dimensionsbereichen des VRINO-Modells lässt sich ermitteln, ob sich aus einer Ressource oder Fähigkeit ein Wettbewerbsnachteil oder -vorteil oder eine Kernkompetenz des Unternehmens ergibt.
Wie wir aus dem kleinen Exkurs zur Kernkompetenz-Analyse hier sehen, sind die von Wenger/Thom genutzten Begründungen für die Unternehmensorganisation als Basis strategischer Erfolgsfaktoren prinzipiell die gleichen, wie sie zur Feststellung einer Kernkompetenz verwendet werden.
Mit anderen Worten: Bei geeigneter Ausgestaltung kann die Unternehmensorganisation zur Kernkompetenz werden, mit der sich dauerhafte Wettbewerbsvorteile erzielen lassen. Voraussetzung dazu ist natürlich wie bei allen Kernkompetenzen, dass die Unternehmensorganisation einerseits werthaltig bzw. wertfördernd, einzigartig, schwer imitierbar und schwer substituierbar geformt wird. Andererseits auch synergetisch den Einsatz sonstiger (Kern-) Kompetenzen des Unternehmens unterstützt.
Die Unternehmensorganisation als Kernkompetenz ist das nächste Kapitel von Wenger/Thom. Der kleine Exkurs zur Kernkompetenz-Analyse hier nach der VRINO-Methode bietet die optimale Überleitung dazu.
Dieses Thema wird bei Wenger/Thom in Kapitel 4.4 aufgegriffen. Wie immer werden hier nur die wichtigsten Passagen zitiert, ggf. gekürzt oder geringfügig angepasst.
Unternehmensorganisation als Kernkompetenz ist in diesem Sinne als miteinander vernetzte, kombinierte, angewandte, umgesetzte und damit einzigartig genutzte Konfiguration organisatorischer Ressourcen und Fähigkeiten zu betrachten. Sie bildet die entwicklungsfähige Basis der unternehmerischen Wettbewerbsvorteile.
Mit anderen Worten ist es letztlich die Unternehmensorganisation als Kernkompetenz, welche die auf diesen Ressourcen und Fähigkeiten basierenden, zunächst noch brachliegenden unternehmungsinternen Erfolgspotenziale in Wettbewerbsvorteile ummünzt.
Aus einer handlungsorientierten Sichtweise ist jetzt die Frage zu stellen, wie diese [Wettbewerbsvorteile] durch die Organisation konkret umsetzbar sind.
Die Antwort lautet, dass dies hauptsächlich einer [strategischen] Aufwertung der Organisation […] bedarf.
(Abb. 9 bei Wenger/Thommen)
Im nächsten Kapitel 4.5 Konsequenzen für den strategischen Handlungsrahmen erklären Wenger/Thom die Unternehmensorganisation aufgrund der bisherigen Darlegungen als Aufgabe der strategischen Unternehmensführung im Rahmen der Unternehmensentwicklung – hier wiedergegeben punktuell modifiziert:
Wir empfehlen daher nachdrücklich, dass die Unternehmensorganisation als identifiziertes strategisches Erfolgspotenzial Berücksichtigung auf höchster Unternehmungsebene erfährt. Sie gehört zu den Aufgaben der strategischen Unternehmungsführung.
Weiter postulieren Wenger/Thom für die Unternehmensorganisation:
Die organisatorische Gestaltung muss konzeptionell konsequent in die Geschäfts-Modellierung einbezogen werden, damit ihr strategisches Potenzial genutzt werden kann. Weil […] die Fähigkeiten und Möglichkeiten eines Unternehmens, den Wertschöpfungsfluss bzw. die Leistungserstellung in einer bestimmten Art zu konfigurieren und auszugestalten, heute mit darüber entscheidet, ob ein Geschäftsmodell erfolgreich ist oder nicht.
Organisatorische Kernelemente und Themenstellungen sind damit zwingend Teil der praktischen Strategieentwicklung. […]
Dieses Ineinandergreifen der unterschiedlichen Dimensionen und Elemente kommt im Business-Design-Modell von Mercer besonders gut zum Ausdruck:
Das Business-Design-Modell von Mercer ist eine genauere Betrachtung wert! – Ähnlich wie bei der Balanced Scorecard BSC beinhaltet es vier Perspektiven. Nur dass diese etwas anders gelagert sind. Deswegen aber nicht minder gehaltvoll. Ein Vergleich:
Mercers Modell ist genauso berechtigt wie das Modell der Balanced Scorecard BSC. Die beiden Modelle können sich ergänzen, weil sie zum Teil etwas andere Einblicke und damit eine ganzheitlichere Sicht bei der Strategiedefinition und Unternehmens-entwicklung erlauben.
Im Zusammenhang mit dem Thema Wettbewerbsvorteil Unternehmensorganisation als Kernkompetenz bietet das Mercer’sche Modell tatsächlich so einen überraschenden Einblick: Die Bedeutung der Unternehmensorganisation lässt sich hier einzeichnen. In obiger Abbildung markiert durch die schraffierte, geschwungene Kurve durch das Modell von Mercer.
Wie man dadurch sieht, deckt das Thema Unternehmensorganisation nicht nur einen grossen Teil des Organisationssystems und der Unternehmenskultur sowie mehr oder minder den gesamten Ressourcen-Fokus ab. Auch im Fokus Absicherung nimmt es einen gewissen Platz ein.
Im Business-Design-Modell von Mercer lässt sich somit vortrefflich die Bedeutung der Unternehmensorganisation veranschaulichen. Bekanntlich sagt ein Bild ja oft mehr als tausend Worte.
Die Notwendigkeit, die Unternehmensorganisation als strategisch relevant zu begreifen, haben Wenger/Thom wie in diesem Fachbeitrag dargelegt bestens ausgearbeitet und begründet.
Aber wie umsetzen? Wer kümmert sich in der eigenen Organisation um den „Wettberbsvorteil Unternehmensorganisation“? Wo ist das Kompetenz-Center dafür?
Diese Fragestellungen habe ich in einem anderen, hiermit empfohlenen Fachartikel „Strukturelle Organisationsmanagement-Kompetenz“ abgehandelt.
Die OIB Academy ist in der Schweiz führend bei organisatorischen Weiterbildungen. Hierzu bieten wir zwei Weiterbildungen an:
Die beiden Lehrgänge sind perfekt aufeinander abgestimmt. Wer bei uns schon den Spezialisten*in Unternehmensorganisation absolviert hat, kann bei Interesse und Erfüllung der Zulassungsbedingungen EOP nahtlos mit dem Lehrgang Experte*in Organisationsmanagement fortsetzen.
Während beim Lehrgang Spezialist*in Unternehmensorganisation das Handwerk des Organisationsmanagements und der Business Analyse vermittelt wird, steht beim Lehrgang Experte*in Organisationsmanagement die Bewertungsfähigkeit, die synergetische Verknüpfung und das strategische Alignment im Vordergrund. Also alles was es braucht, um wie in diesem Beitrag geschildert die Unternehmensorganisation so zu gestalten, dass sie zur Kernkompetenz und zum Wettbewerbsvorteil wird.
Danke für Ihre wohlwollende Aufmerksamkeit
Freundliche Grüsse
Steffen Sutter et al.
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